Unverblümter kann Prosa nicht sein.
Die kürzeste Geschichte der Menschheit geht vielleicht so: Mann und Frau können nicht zusammenkommen und wenn sie es dennoch tun, entsteht daraus ein Murks.
Peter Giacomuzzi beschreibt in seiner plakativen Prosa den Versuch, aus Mann und Frau eine Legierung „mannfrau“ zu schmieden. Zuerst treten die Gender-Helden einzeln auf, dann als gemeinsame Katastrophe.
Im ersten Kapitel Mann ist der Held schon am Ende mit sich und seiner Ehe. Nach endlosen Nächten im Hamsterrad des Trinkens schleicht er sich jeweils heim zu seiner Frau, die wie totes Fleisch im Bett liegt und nichts mehr erwartet. Bei Tageslicht kann er arbeiten, weil er nichts denken muss, eine Sekretärin weiß um ihre Aufgabe, ihn dienstlich erregt und sich selbst aufregend kühl zu halten. Dem Helden schwinden manchmal die erotischen Sinne und die einzelnen Organe machen sich selbständig. Die Lippen der Sekretärin wandern unter den Schreibtisch und machen eine dienstliche Befriedigung. Anders ist diese Welt nicht zu ertragen. Und nach der Bar gehen jeweils zwei betrunkene Geschlechter ihrer Vereinigung entgegen, die sie nie erreichen können. Und dann ist die Frau wirklich tot, wie der Hausarzt feststellt, für den Mann macht das keinen Unterschied, nur dass er jetzt die Kinder am Hals hat.
Im Kapitel von der Frau wird wie in einem psychologischen Protokoll von den Ritualen berichtet, mit denen die Tochter von damals früh auf ihre Rolle als Frau in einem Käfig vorbereitet wird. Der Vater spielt den Strengen, der die Welt durch Schweigen erklärt, der Großvater lässt manchmal ein Stück Herz aus und stirbt, die Mutter arbeitet still, wie es die Welt später auch von ihren Töchtern will. Es wird ihr beigebracht, immer andere zu lieben, nie sich selbst. Und dann zeigt ihr das Leben in allen Varianten, wie es bergab gehen kann. Falsche Männer, Abtreibung, Kinder, Trott, alles geht den Bach hinunter, der Tod ist die einzige Sicherheit.
In „mannfrau“ schließlich zeigt die Gesellschaft, was sie von diesen Vereinigungsmodellen hält. Nach einem ehelichen Geschlechtsverkehr wird gestritten, wer das größere Arschloch sei, die Flausen der Nacht bekommt am nächsten Tag das Büro zu spüren, Frauen werden zu Fickfleisch, Männer landen beim Herumspringen im Herzinfarkt, in routinierten Geschlechterrollen umtanzen einander Mann und Frau wie Raubtiere, die von der jeweiligen Gefährlichkeit des anderen wissen. Der Text wird zunehmend zu einer Pfanne, in der die Schmachtenden schmoren, während sie ständig von unsichtbarer Hand umgerührt werden. Letztlich treffen sich Mann und Frau wie Nachrichten auf einem Bildschirm, sie haben nichts miteinander zu tun aber offensichtlich das gleiche Sendeformat.
Peter Giacomuzzi erzählt in kleinen Partikeln und aus einem Guss gleichzeitig. Die einzelnen Sätze lassen sich kaum als solche wahrnehmen, es sind Muren von Erkenntnis, die auf den Leser abgehen. Beängstigend wahr und nur insofern beruhigend, als es offensichtlich eine Sprache gibt, um diese Unglückswucht zu beschreiben. – Elementare Hangrutsche zwischen Mann und Frau!
Helmuth Schönauer
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