Marc Adrians Wunschpumpe hat mich als Leser durch seine scharfsinnige Beobachtungsgabe betroffen gemacht. Der Autor stellt sich mit Recht – auch auf Grund autobiographischer Erfahrungen – auf den Standpunkt: Das Leben untersteht anderen Gesetzen als den Gesetzen einer illusionären, heilen Welt des Bürgertums. Die Härte des Lebens wird durch die Polarität zwischen Tätern und Opfern bestimmt. Inhaltlich fällt auf: Genaue Opfer/Täter-Ambivalenzen sind grundlegend. Damit entsteht ein Beitrag zur Phänomenologie der heutigen Gesellschaft: Psychopathologie, Faschismus, Soldatentum, Ökonomie und entsprechende Wiener Varianten. Weiters die Phänomene aus dem Bereich Sexualität; dabei bietet das Sprachinstrumentarium des Autors Möglichkeiten einer Entmystifizierung. Wer bereit ist, sich auf diese Texte einzulassen, erlebt die Schwierigkeiten und die Faszination, die auch zum französischen Strukturalismus und zum nouveau roman gehören. Hier ist das Medium ‚Sprache‘, genauer gesagt die Sprache als Struktur die Botschaft. Die Texte sind bestimmt von exakten Kompositionsgesetzen mit einer Vielzahl von Variationen. Es gibt Sprachgitter, Sprachspiele, Kombinationen von Sprachebenen (Primär- und Metasprachen), Sprache der Lexika, Zitate im Sinne der Postmoderne, Ironisierungen und Verschlüsselungen. Wittgenstein wird zitiert und assoziiert, das Auge sensibilisiert durch optische, schlagzeilenähnliche Anordnungen. Die Originalität der Texte entsteht auch durch die Sprache des Wiener Untergrundes, mit vielen Anleihen aus der Wiener Kunstszene, Bibelzitaten mit ihrer Betonung des Opfers Jesu; und schließlich erinnern Adrians Texte auch an die kritische Sprache der 68er Bewegung. Wo es hier um Religion geht, ist eigentlich Religionskritik gemeint, und wenn es um Philosophie geht, Antiphilosophie. Die Helden (Antihelden) dieses Lebens gehören zu jenen Schichten der Gesellschaft, die der Bürger tabuisiert und verachtet. Mir fällt dazu jene Argumentation ein, die in den 60er Jahren durch Herbert Marcuse vertreten wurde: Subjekt der Kulturrevolution und der gesellschaftlichen Veränderung ist nicht mehr die verbürgerlichte Arbeiterschaft, sondern die kulturellen Randschichten, ausgegrenzte Minderheiten, Angehörige von kulturellen Unterschichten. Auf diese richtet sich der intensive Blick des Autors, geht bis zur Identifikation und führt zu Auseinandersetzungen mit dem eigenen Schatten. Spielt Marc Adrian dem Leser eine Dialektik zu, die ihn auf einen neuen Humanismus aufmerksam machen soll? – Prof. Dr. theol. Kurt Lüthi
marc adrians pumpe fördert allerhand zutage, läßt keine wünsche offen, dabei plumpst vieles, das sich bis dato mächtig ins zeug legen konnte, wie nichts weg. als würde der GSCHWINDE eine liaison mit dem johannesevangelium in der löwengasse vom zaun brechen wollen, auf daß es dem GERONIMO die augen in ein wiener schnitzel katapultiert: hier steht sie vor uns – die zusammenfügung scheinbar disperatester teile, und doch könnte man sich keine anderen vorstellen, um selbst nestroys geist zu beschwören: „i sags nur, weul i grad davon red“, oder so ähnlich. scharf geschnittene kader klatschen da auf noch schärfere. dem voyeur sind alle möglichkeiten geboten. – schließlich öffnet nicht alle tage das „kunstwerk, die dichtung“ als „ein ort der macht des negativen denkens“ die vulva wie das erstbeste scheunentor eines klapprigen denkens. gegen diese wunschpumpe verkommt selbst die „seelandschaft mit pocahontas“ zu einem zarten lercherlschas innerhalb der deutschsprachigen literatur dieses auslaufenden zwanzigsten jahrhunderts. was schmidt forderte („der grundirrtum liegt immer darin, daß die zeit nur als zahlengerade gesehen wird, auf der nichts als ein nacheinander statthaben kann. ‚in wahrheit‘ wäre sie durch eine fläche zu veranschaulichen, auf der alles ‚gleichzeitig‘ vorhanden ist“), löst adrian ein, wobei noch hinzukommt, daß es bei ihm nichts flaches gibt. dagegen würden sich auch seine protagonisten (z.b. der LEWENDICHE, die HAMBURGERIN und der TEXASHIAS) verdammt stemmen. – Gerhard Jaschke
Im Schatten der Avantgarde
– Klaus Kastberger in: „Falter“ Nr. 12/1992